Testbericht Krypton 9 Stereoplay
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Für richtig gute Freunde
Wer einen bezahlbaren, aber dennoch eigenständigen Standlautsprecher ohne Schnickschnack sucht, der schön entspannt und musikalisch tönen soll, kommt an der französischen Dreiwegebox Davis Krypton 9 nicht wirklich vorbei.
Es gibt ein Wort, das diese gewisse französische Leichtigkeit, die uns Teutonen leider nur selten zu eigen ist, ganz wunderbar auf den Punkt bringt:
Nonchalance! In dem Ausdruck schwingt auch mit, was der Autor damit verbindet: Lässigkeit. Der angenehme Eindruck lockerer Ungezwungenheit war es dann auch, der sich wie ein roter Faden durch diesen Test zog. In der Tat hinterließ bereits die erste Begegnung mit der hier vorgestellten Davis Krypton 9 aus Frankreich einen musikalisch schön entspannten Eindruck. Doch der Reihe nach. Widmen wir uns zunächst dem Hersteller, der westlich des Rheins beheimatet ist. In Troyes, einer kleinen Gemeinde im französischen Nordosten, sitzen Davis Acoustics, die wir, nonchalant wie wir sind, in der Folge einfach nur als Davis bezeichnen möchten. Lautsprecherkonstruktionen von Davis sind in Deutschland noch keine feste Größe. Aber die Franzosen und insbesondere ihr Erkrather Vertriebspartner BT HiFi geben sich ordentlich Mühe, damit sich das ändert. Laut deutschem Vertrieb möchten sich die Franzosen in den kommenden Jahren verstärkt auf anspruchsvollere Produkte konzentrieren. Für 2022 plant Davis sogar ein Lautsprecherpaar zum Preis von 35.000 Euro, das in den kommenden Jahren durch weitere, noch teurere Lautsprecher ergänzt werden soll. Oh là là! Noch kurz ein paar Worte zu Davis als bekannter Chassis-Hersteller, bevor wir uns die in der vergleichsweise bescheidenen 2200-Euro-Preisklasse angesiedelten Krypton 9 genauer anschauen: In Troyes werden etwa 150 bis 200 verschiedene Treiber-Modelle gefertigt. Do-it-yourself- Lautsprecher-Angebote finden sich dort ebenfalls noch im Programm. Die Ingenieure von Davis bauen übrigens schon ziemlich lange Chassis, seit 1986 genauer gesagt. Außerdem gehörten sie zu den ersten Herstellern, die damals mit den Werkstoffen Kevlar, Karbon und Fiberglass arbeiteten. Daher auch das Firmenlogo mit dem kleinen gelben Rondell. Es symbolisiert einen Kevlar-Treiber, wie er sich einst in dem MBL-Monitor 311D befand. Weitere renommierte Hersteller, die seinerzeit auf die Chassis der Franzosen setzten, waren Avantgarde Acoustics und Bowers & Wilkins. Die neue Mittelklasse Die recht neue Krypton-Boxenserie, deren Spitzenmodell die hier vorgestellte Dreiwege- Bassreflex-Konstruktion Krypton 9 ist, markiert seit etwas mehr als einem Jahr die neue Mittelklasse der Nordfranzosen. Sie richtet sich laut Vertrieb weniger an HiFi-Freaks als vielmehr an „Normalos“, die „was Ordentliches“ suchen. Na, wenn sich diese bescheidene Aussage von BT HiFi-Chef Stefan Becker nicht locker vom sonst so üblichen Marketing- Geblubber abhebt, dann weiß der Tester auch nicht mehr. Für sämtliche Modelle der Krypton- Serie hat Davis einen neuen Hochtöner entwickelt. Der Tweeter werkelt mit einer weichen 28-Millimeter-Kalotte aus feinem, imprägniertem Gewebe auf eine rückwärtige Kammer, um Verzerrungen zu minimieren. Der Schwingspulendraht besteht zu 35 Prozent aus Kupfer und zu 65 Prozent aus Aluminium. Der Einsatzbereich des vergleichsweise etwas größeren Hochtöners beginnt bei 4000 Herz und endet erst bei 24 Kiloherz. Der darunter montierte 5-Zoll-Mitteltöner der Krypton 9 arbeitet – Sie ahnen es bereits – mit einer Membran aus Kevlar. Es handelt sich dabei um einen Treiber dieser Art in der nunmehr fünften Generation. Die Membran ist auf der Rückseite mit einer Art leichtem Zellulosekleber beschichtet. Dieser soll die perfekte Luftdichtheit gewährleisten und das Material obendrein versteifen. Für die Kevlar-Membranen verwendet Davis übrigens ein spezielles Profil, nicht in konischer Ausführung, sondern mit exponentieller Krümmung. Bei den Tieftönern setzt Davis auf zwei 17er-Treiber mit klassischer Papier-Zellulosemembran. Wie der Mitteltöner sind diese rückseitenbeschichtet. Auf diese Weise erhöht der französische Hersteller die Steife der Membranen und macht diese etwas belastbarer und schwerer, was die Resonanzfrequenz weiter nach unten drückt. Um die leichten Papier-Woofer für alle Töne unterhalb der Trennfrequenz von 400 Herz möglichst agil zu machen, gönnt Davis ihnen bewusst eine kleinere Schwingspule von 25 Millimetern Durchmesser. Ein Bassreflex, der in einem breiten horizontalen Schlitz auf der Gehäusevorderseite in der Nähe des Bodens endet, unterstützt die beiden 17-Zentimeter- Woofer. Die Frequenzweiche ist mit 6 Dezibel pro Oktave für die Tief- und Mitteltöner sowie 18 Dezibel pro Oktave für den Tweeter recht einfach aufgebaut. Während Davis alle Lautsprechertreiber selbst herstellt, greifen die Franzosen für die Gehäusefertigung auf gute Zulieferer aus China, Polen und der eigenen Heimat zurück. Das zwar nicht edle, dafür aber sauber gefertigte und in den schicken Folienvarianten Schwarz,Walnuss und Eiche hell erhältliche Kabinett der Krypton 9 stammt aus Fernost. Das Gehäuse aus MDF ruht auf einem soliden Sockel, der die Schallwand nach hinten neigt und so die Phasenlage der vier Treiber ausgleicht. Einfach zu betreiben Im stereoplay-Messlabor zeigte die Krypton 9 keine größeren Allüren, dennoch fielen einige Dinge auf, die auch für den abschließenden Hörtest relevant waren: Da wären zum einen der ordentliche Oberbassanstieg sowie eine leichte Betonung der Höhen. Diese bündelten ab 9 Kiloherz, was für eine recht homogene Abstrahlung in den Raum spricht. In puncto Klirr gab es keine Auffälligkeiten zu vermelden, und auch in Sachen Impedanz erwies sich der Davis-Lautsprecher als einfach zu betreibender Kandidat, dem bereits 21 Watt an 4 Ohm für nicht sehr hohe 97 dB SPL Maximalpegel ausreichen. Kommen wir zum eingangs angesprochenen Klang des franzöischen Dreiwege- Kandidaten: Der gab sich sowohl bei Pop als auch bei Klassik oder Jazz immer schön entspannt, aber nie spannungslos, wollte man ihn mit wenigen Worten charakterisieren. Musikalisch tönte die mit vier Treibern ausstaffierte Krypton 9 wie aus einem Guss und einfach harmonisch. Leichtes Anwinkeln auf den Hörplatz brachte den nötigen Schuss Spritzigkeit.
Was schnell auffiel, waren die für ihre Preisklasse imposante Klangbühne und räumliche Abbildungsfähigkeit. Stereo- Effekte spielten sich bei entsprechenden Aufnahmen weit außerhalb, gefühlt auch hinter den Gehäusen des Testkandidaten ab. Eingebettet war diese „highendige Qualität“ aber nicht in einen sezierenden, sondern in einen integrierenden Sound. Die zum Vergleich herangezogene Canton Vento 80 (Test in Heft 6/22), die stattliche 900 Euro mehr kostet, bestätigte diesen Eindruck und brachte gleichzeitig ein paar Schwächen der Krypton 9 zutage: So zeigte die deutsche Box, dass in puncto Offenheit noch was geht, außerdem war sie bei kurzen, dynamischen Impulsen überlegen, insbesondere im Bassbereich, wo die Davis etwas voll und ein wenig unaufgeräumt rüberkam. Die Canton wirkte dafür bei älterer Software gnadenloser und im Hochtonbereich weniger luftig und lebendig als die Davis, wie sich in einer Aufnahme mit dem Flötisten Jean-Pierre Rampal aus dem Jahr 1986 zeigte („The Flute at the Court Frederick the Great“, CBS).
Fazit: Mit der Krypton 9 offeriert uns Davis einen bezahlbaren und angenehm allürenlosen Lautsprecher, der es immer schafft, mittels schöner Klangfarben und toller Abbildung jede Art von Musik gleichzeitig entspannt und auch spannungsreich erklingen zu lassen. Ein echter Tipp für richtig gute Freunde.
Marius Dittert